Eine Ära geht zu Ende
Nach 32 Jahren geht der Prorektor und Leiter der Forschung und Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG), Titus Guldimann, in Pension. Am Freitag wurde er von der Hochschulleitung, von Mitarbeitenden und langjährigen Weggefährten gebührend verabschiedet.
Die Aula im Hochschulgebäude Mariaberg in Rorschach war an diesem Nachmittag gut gefüllt. In den ersten Reihen sassen Arbeitskollegen und langjährige Weggefährten von Titus Guldimann, dahinter Vertreter der Hochschulleitung, Uni-Professoren, ehemalige Hochschulräte, zahlreiche Mitarbeitende und viele Gäste. Sie alle waren gekommen, um den langjährigen Prorektor und Leiter Forschung und Weiterbildung an der PHSG in ei-nem feierlichen Rahmen in den Ruhestand zu verabschieden. «Eine Ära geht zu Ende», sagte PHSG-Rektor Horst Biedermann in seinen einleitenden Worten. «Doch Titus wird uns mit seinem grossen Engagement und seinem unermüdlichen Einsatz für die PHSG in bester Erinnerung bleiben.»
Der gebürtige Stadtsanktgaller Titus Guldimann war 1985 von seiner Wahlheimat Bern zurück in die Ostschweiz gekommen. Genauer gesagt an die Forschungsstelle der PHSG, die er mit aufbaute. Die damals noch kleine Forschungsabteilung erlebte unter ihm einen «kometenhaften Aufstieg» und strahlte alsbald weit über St.Gallen hinaus. Seine zahlreichen Erkenntnisse und Publikationen in der Bildungsforschung und Lehre in Lehrerbildung stiessen national auf grosses Interesse, wie Horst Biedermann sagte. Nebst der wissenschaftlichen Tätigkeit übernahm Titus Guldimann auch als Prorektor viel Verantwortung. «Er baute «seine» Lehre von drei auf neun Institute aus – mit einem zehnfachen Volumen, aber auch einem zehnfachen Ertrag», so Horst Biedermann. «Sein Weitblick, seine Phantasie und sein kritisches Denken haben mir imponiert.» Titus Guldimann habe in der Forschung und Lehre der PHSG «tiefe Spuren» hinterlassen, er übergebe ein «blühendes und ideenreiches Prorektorat an seine Nachfolger».
Wissenschaftliche Würdigung
Während 32 Jahren hat sich Titus Guldimann mit viel Leidenschaft für die Forschung in Bildungsfragen und Lehrerbildung eingesetzt. In dieser Zeit habe er Aussergewöhnliches geleistet. «Sein klares Denken hat mich immer fasziniert», sagte Christian Brühwiler, Leiter Institut für Professionsforschung und Kompetenzentwicklung. Er sowie Franziska Vogt, Leiterin Institut für Lehr-Lernforschung, und Nicolas Robin, Leiter Institut Fachdidaktik Naturwissenschaften und Fachleiter Biologie, setzten in ihren Beiträgen das Wirken von Titus Guldimann in den Mittelpunkt. Christian Brühwiler bot einen Überblick über Titus Guldimanns wichtigste Projekte in dessen langjähriger Forschertätigkeit – die meisten wurden vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziell unterstützt. Das waren Projekte wie «Eigenständiger Lernen», «Lernen im Dialog», «Partnerschulen für Professionsentwicklung» oder «Wirkungen der Lehrerbildung».
Franziska Vogt setzte sich in ihrer wissenschaftlichen Würdigung mit Titus Guldimanns wohl bekanntestem Forschungsprojekt «Eigenständiger Lernen» von 1996 und seinen Folgen auseinander. «<Eigenständiger Lernen> war eine Setzung und wurde breit rezipiert», so das Fazit von Franziska Vogt. «Es wurde zusammen mit den didaktischen Zugängen wie Lernjournal und Lernpartnerschaften sowie dem pädagogisch-psychologischen Fokus auf Metakognition in den letzten 30 Jahren breit erforscht und prägen die heutige Praxis der Volksschule, Hochschule, Berufsbildung und Weiterbildung.» Sie dankte Titus Guldimann unter anderem für sein Engagement zur pädagogisch-psychologischen Erweiterung des Berufsverständnisses.
Nicolas Robin führte das wissenschaftliche Porträt fort und zeigte eine weitere Facette des abtretenden Prorektors auf: seine Rolle an der Schnittstelle zwischen Schule und Wirtschaft im Bereich Naturwissenschaften und Technik. «Titus hat sich stark für die MINT-Bildung im Kanton eingesetzt», so Nicolas Robin. «Er war Mitbegründer des Jules-Vernes-Kinder-Technikcamps, lancierte mit <MINT macht Schule> die Vernetzung von Schule und Wirtschaft und forcierte den Austausch zwischen Industrie, Schule und PHSG.» Für letzteres wurde die PHSG 2014 gar mit dem «Enterprize» ausgezeichnet.
Langjährige Weggefährten erinnern sich
Weniger wissenschaftlich, dafür mehr persönlich wurde es in den Laudationes der beiden langjährigen Weggefährten Erwin Beck, Alt-Rektor der PHSG, und Michael Zutavern, ehemaliger Dozent für Pädagogik/Psychologie und Forschungsmitarbeiter an der PHSG. Erwin Beck erzählte, wie er Titus Guldimann damals von der Berner Lehrbildung in die Forschungsabteilung der PH nach St.Gallen «lockte» und wie er sich immer wieder über das perfekt aufgeräumte Büro seines «verlässlichen Mitarbeiters und treuen Freundes» wunderte. Der ehemalige PHSG-Rektor würdigte Titus Guldimanns «ausgezeichnete Fähigkeiten als Netzwerker und Forschungsmanager», seine Leistung für die Hochschule sei «aussergewöhnlich»: «Stetig vier bis fünf SNF-Projekte am Laufen gehabt zu haben, ist einfach grandios.»
Michael Zutavern, der am Tag zuvor ebenfalls in den Ruhestand verabschiedet wurde und zwar als stellvertretender Rektor der Pädagogischen Hochschule Luzern, arbeitete und forschte während 13 Jahren mit Titus Guldimann an der PHSG. «Er war ein grossartiger Lehrmeister, ich habe von seinem Wissen und seinen Fähigkeiten viel profitiert.» Michael Zutavern zupfte sechs Episoden aus diesen «wunderbaren Jahren» heraus und gab dem Publikum Einblick in Titus Guldimanns Qualitäten wie Verhandlungskunst und Selbstverständnis für permanente Erneuerung, Teamgeist und Managementkompetenz.
«Ich hätte noch viele tolle Ideen»
Nach den zahlreichen Würdigungen trat der Gewürdigte selber ans Rednerpult. Mit Originaldokumenten seiner ersten Unterrichtsvorbereitung von 1974 blickte er auf die Anfänge seiner Karriere zurück. Munter und mit viel Witz erzählte Titus Guldimann von seiner Zeit in Spiez, als ein Ostschweizer in Bern noch als «Exot» galt, vom Anruf aus St.Gallen, von den 32 Jahren an der PHSG und seiner grossen Leidenschaft, der Forschung. «Forschen, den eigenen Fragen initiativ nachzugehen, macht einfach Spass», sagte Titus Guldimann. Und doch habe ihn als Wissenschaftler immer wieder eine Frage um- und gleichzeitig angetrieben: «Mache ich das Richtige und mache ich es auch gut so?» Es sei eine schöne Zeit gewesen, sagt er dann leicht wehmütig: «Der Abschied fällt mir schwer. Ich hätte noch viele tolle Ideen.»
Zum Abschluss sorgte der Spoken-Word-Poet Richi Küttel für einige herzhafte Lacher. Küttel hatte das Geschehen auf der Bühne mitverfolgt und gab es dann in seinen ganz eigenen, gewohnt ironisch und humorvollen Worten wieder. Musikalisch umrahmt wurden die Feierlichkeiten von den «Lido Boys». Die vier Rock’n’Rumba-Musiker brachten mit ihren italienischen Liedern einen Hauch von südländischen Flair nach Rorschach.