Bewegung als Motor der frühkindlichen Entwicklung
Weshalb ist die Bewegung im frühkindlichen Alter so wichtig und wie kann sie noch besser gefördert werden? Über diese und ähnliche Fragen diskutierten Fach- und Begleitpersonen der Frühen Bildung an einer Impulsveranstaltung, die von der Pädagogischen Hochschule St. Gallen (PHSG) organisiert wurde.
Die Bewegung spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung eines Kindes. «Sie ist der Motor der frühkindlichen Entwicklung», sagte Marianne Steiner. «Bewegung fördert nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch die geistige und soziale Entwicklung von Kindern.» Marianne Steiner leitet den Bereich Dienstleistung und Weiterbildung am Institut Frühe Bildung 0 bis 8 der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG) und hat zusammen mit einer Mütter- und Väterberatung einen begleiteten Bewegungsraum für Kinder im Alter von 6 bis 18 Monaten aufgebaut. An der Impulsveranstaltung vom Dienstag, 17. September 2024, im Hochschulgebäude Stella Maris in Rorschach war sie eine von zwei Referentinnen, die zum Thema «Bewegungsförderung von Kindern in Angeboten der frühen Kindheit und im Kindergarten» sprachen. Das Institut Frühe Bildung 0 bis 8 bietet in loser Folge mehrere solcher Impulsveranstaltungen im Jahr an. Das Ziel der jüngsten Ausgabe war es, Fach- und Begleitpersonen für die Bedeutung einer entwicklungsgerechten Bewegungsförderung zu sensibilisieren.
Marianne Steiner zeigte in ihrem Referat auf, wie Bewegung und Sprache zusammenhängen. «Sprechen ist eine komplexe motorische Fähigkeit, die auf frühkindlichen Erfahrungen basiert», erklärte sie und verwies dabei auf das Beispiel des Essenlernens. Dieses bilde die Grundlage für den Spracherwerb, da es eine fein abgestimmte Koordination von Lippen, Gaumen, Zunge, Hand- und Fingerbewegungen erfordere. Gleichzeitig sehe man bei Kindern mit Sprach- und Sprechproblemen teilweise motorische Auffälligkeiten. «Sprechen und Bewegen beeinflussen sich gegenseitig. Wenn wir differenzierte Bewegungen des Kindes fördern, unterstützen wir indirekt auch seine Sprache», sagte die Expertin und forderte die Teilnehmenden auf, dieses Potenzial künftig noch mehr zu nutzen.
Nationale Studie läuft
Die frühkindliche Bewegungsförderung steht seit jeher im Fokus der PHSG. Mit dem Schwerpunktstudium Purzelbaum bietet sie auch eine Zusatzqualifikation für Lehrpersonen im Zyklus 1 an. Zudem läuft momentan eine Studie, welche die Entwicklung der motorischen Basis-Kompetenzen in der Kindheit, kurz EMOKK, untersucht. Bei diesem auf drei Jahre angelegten nationalen Forschungsprojekt, das vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wird, werden Erkenntnisse zur motorischen Entwicklung von Kindern, unter anderem im Zyklus 1, generiert. «Obwohl motorische Basiskompetenzen in den Schweizer Lehrplänen verankert sind, wissen wir noch zu wenig über ihre Entwicklung», sagte Dr. Sonja Büchel, die an der PHSG im Institut Schule und Profession den Bereich Forschung & Entwicklung leitet und im Forschungsprojekt EMOKK für den Kanton St.Gallen verantwortlich ist. Basierend auf den Erkenntnissen der Studie sollen Fördermöglichkeiten und -materialien für die Praxis erarbeitet werden.
Insgesamt wurden schweizweit 12'500 Kinder ab dem ersten Kindergartenjahr bis zur fünften Primarschulklasse untersucht, im Kanton St.Gallen waren es rund 1‘000 Kinder ab dem ersten Kindergartenjahr bis zur vierten Primarschulklasse. Noch ist die EMOKK-Studie nicht abgeschlossen – sie läuft bis Ende Juni 2025. Trotzdem konnte Dr. Sonja Büchel an der Impulsveranstaltung erste Resultate präsentieren. So zeigten beispielsweise ältere Kinder sowie Buben im Vergleich zu jüngeren Kindern und Mädchen im «Etwas-Bewegen» signifikant bessere Leistungen. Auch im «Sich-Bewegen» schlossen ältere Kinder deutlich besser ab als jüngere Kinder, allerdings gab es hier keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. «In beiden Kompetenzbereichen liegt der Anteil förderbedürftiger Kinder im ersten Kindergartenjahr deutlich höher als im zweiten Kindergartenjahr», sagte sie. Dies zeige, wie wirksam eine gezielte Bewegungsförderung im frühkindlichen Alter sei.
Bewegung in die Geschichte einbauen
In einem von vier anschliessenden Workshops vermittelte Simone Cecchinato, Kindergartenlehrperson und Mitarbeiterin im Themenbereich Spiel am Institut Frühe Bildung, den Teilnehmenden Ideen, wie sich Bewegungselemente unkompliziert in den Kindergarten-Alltag einbauen lassen. «Der Einstieg in ein Thema bietet immer eine gute Gelegenheit. Er macht die Kinder neugierig.» So könne man zum Beispiel für «Die kleine Hexe» ein Lied passend umformulieren, am Morgen gemeinsam singen und dabei Bewegungen, Spiele oder Übungen einbauen. Dazu gehöre etwa, sich auf den Rücken zu legen und bewusst zu atmen, aufzustehen, sich zu strecken, spielerisch Tee zuzubereiten oder Holz im Wald zu sammeln. «Sowohl die Bewegung als auch die aktive Beteiligung unterstützen das Lernen», betonte sie. «Der Lehrplan und zahlreiche Bücher geben Hinweise und Ideen, die sich auf vielfältige Weise umsetzen lassen.»