Berufsintegrierte Studienform: Eine Bereicherung für beide Seiten
Praxis und Theorie noch stärker miteinander verknüpfen: Das können PHSG-Studierende der Kindergarten- und Primarstufe seit Herbst 2022 mit dem neuen berufsintegrierten Studium. Die Pädagogische Hochschule St.Gallen (PHSG) hat diese Studienform aufgrund der sich verändernden Bedürfnisse der Studierenden und des Fachkräftemangels entwickelt. Eine Studentin, die sich für diese neue Studienform entschieden hat, ist die 21-jährige Tatjana Eisenhut.
Claudia Berni und Tatjana Eisenhut sind Lehrerinnen einer ersten Primarklasse in Ebnat-Kappel. Die beiden teilen sich die Stelle zu je 50 Prozent. Eigentlich nichts Ungewöhnliches im Lehrberuf. Doch Tatjana Eisenhut hat ihre Ausbildung zur Primarlehrerin noch nicht abgeschlossen. Sie steckt inmitten ihres Studiums an der Pädagogischen Hochschule St.Gallen. Trotzdem steht die 21-Jährige seit August vergangenen Jahres an drei Tagen in der Woche im Schulzimmer und unterrichtet die Erstklässlerinnen und Erstklässler – ohne dass die Klassenlehrerin Claudia Berni dabei ist.
Möglich macht dies eine neue Studienform, welche die PHSG seit Herbst 2022 für die Kindergarten- und Primarstufe anbietet. Mit dem Berufsintegrierten Studium (BiS) haben Studierende die Möglichkeit, ab dem fünften Semester Praxis und Theorie noch stärker miteinander zu verbinden. «Die Studierenden der Kindergarten- und Primarstufe können neu ihr fünftes und sechstes Semester auf bis zu zwei Jahre ausdehnen und mit einer Berufstätigkeit an einer Schule kombinieren», sagt Nicolas Robin, Prorektor Ausbildung an der PHSG. «Dabei profitieren sie vom starken Praxisbezug während des ganzen Schuljahres.» Die angehenden Lehrerinnen und Lehrer können die Studieninhalte mit den praktischen Erfahrungen verknüpfen und ihren Unterricht auf Grundlage der theoretischen Inhalte gestalten.
Das Berufsintegrierte Studium ist eines von mehreren Angeboten, welche die PHSG in den vergangenen Jahren eingeführt hat, um einerseits besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Studierenden eingehen zu können. Andererseits wirkt die neue Studienform dem aktuellen Fachkräftemangel entgegen, da die Studierenden bereits während des Studiums in Teilzeit arbeiten können. Im BiS sind die Studierenden während eineinhalb bis zu zwei Jahre an einer Kooperationsschule zwischen 30 und 50 Prozent angestellt. Auf der Sekundarstufe I (Oberstufe) bietet die PHSG diese Studienform schon seit längerem an.
Für Tatjana Eisenhut ist das Berufsintegrierte Studium die Chance, bereits während des Studiums Berufserfahrung zu sammeln, die über ein Praktikum hinaus geht. «Ich habe eine fix zugeteilte Klasse und genügend Zeit, mich in die Rolle der Lehrerin einzufinden», sagt sie. «Ich kann eine Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern aufbauen, was ich sehr schätze.» Bei den zweiwöchigen Praktika, die an der PHSG zum Studium gehören, bekomme man zwar einen wertvollen Einblick in die Schulen und Unterrichtsmethoden. «Aber kaum hat man sich an die Schülerinnen und Schüler gewöhnt, sind die zwei Wochen wieder vorbei», sagt die angehende Lehrerin.
Für ihre erfahrene Sparring-Partnerin Claudia Berni ist es nichts Neues, die Stelle mit einer anderen Lehrperson zu teilen. Sie unterrichtet seit 27 Jahren, davon viele Jahre schon im Jobsharing. An der Primarschule in Ebnat-Kappel ist sie seit vier Jahren tätig. Dass ihre Kollegin noch studiert, merke man überhaupt nicht. Und auch Tatjana Eisenhut hatte noch nie das Gefühl, dass sie im Lehrpersonen-Team als «nur» die Studierende angeschaut wurde. «Wir übernehmen beide dieselben Aufgaben, haben dieselben Pflichten. Einzig die Klassenverantwortung liegt bei mir», sagt Claudia Berni. Entweder unterrichtet sie oder Tatjana Eisenhut, im Doppel gibt es sie nur bei den zwei Teamteaching-Lektionen. Die Zusammenarbeit funktioniere sehr gut, sagen beide. «Wichtig ist, so wie in allen Arbeitsteams, eine offene Kommunikation und eine gute Absprache», sagt Claudia Berni.
Nebst Tatjana Eisenhut haben noch weitere Studierende der Kindergarten- und Primarstufe diese neue Studienform gewählt. «Die ersten Rückmeldungen sind gut. Sie bekräftigen unsere Absicht, neue Studienformen zu schaffen, welche dem Lehrpersonenmangel entgegenwirken, ohne die Qualität des Studiums zu beeinträchtigen», sagt der Prorektor Ausbildung Nicolas Robin. Geplant ist, dass im Herbst eine zweite Lerngruppe mit dem BiS beginnt. Auch die Erfahrungen der beiden Lehrpersonen in Ebnat-Kappel sind sehr positiv. «Ich kann selbstständig arbeiten und bin dennoch nicht allein», sagt die angehende Lehrerin. Bei Fragen könne sie sich immer an ihre Sparring-Partnerin, ihre Lerngruppe oder ihren Mentor an der PHSG wenden. Claudia Berni sieht die Zusammenarbeit mit der Studierenden als eine grosse Bereicherung für beide Seiten. «Meine Ausbildung zur Primarlehrerin liegt schon etwas zurück», sagt sie und lacht. «Durch Tatjana Eisenhut erfahre ich aus erster Hand, was in Bezug auf Pädagogik und Bildung aktuell ist, und bleibe so am Ball.»