

Wie motorisch fit sind St.Galler Schüler:innen?
Ein Projektteam der Pädagogischen Hochschule St.Gallen untersuchte im Rahmen eines schweizweiten Forschungsprojektes die motorischen Basiskompetenzen von St.Galler Schüler:innen. Die Ergebnisse fliessen direkt in den Unterricht der teilnehmenden Klassen ein.
Mädchen sind besser im Sich-Bewegen, Buben im Etwas-Bewegen – das zeigt die Studie «Entwicklung motorischer Basiskompetenzen in der Kindheit» (EMOKK), in deren Rahmen während vier Jahren Schüler:innen vom Kindergarten bis zur 4. Klasse auf ihre Fähigkeiten in den Aufgaben Werfen, Fangen, Prellen und Dribbeln (Etwas-Bewegen) sowie Balancieren, Rollen, Springen und Laufen (Sich-Bewegen) getestet wurden. In der gesamten Schweiz machten knapp 12'500 Schulkinder an der vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Studie mit. Im Kanton St.Gallen war das Institut Schule und Profession der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG) – unterstützt durch das Institut Bewegung, Sport, Gesundheit – für die Erhebung zuständig. Hier wurden insgesamt 1’080 Kinder aus den Städten St.Gallen, Gossau und Goldach sowie den Gemeinden Flawil und Wittenbach untersucht.
Die unterschiedlichen Leistungen von Mädchen und Buben in «Sich-Bewegen» und «Etwas-Bewegen» sind bereits ab Eintritt in den Kindergarten festzustellen: «Frühere Studien zeigen, dass der Unterschied zwischen Mädchen und Buben teilweise durch eine unterschiedliche sportliche Sozialisierung erklärt werden kann», sagt Dr. Sonja Büchel, die das Projektteam an der PHSG leitet. So seien Buben häufiger in Ballsportvereinen aktiv. Das sei wohl mit ein Grund, dass sich die Unterschiede während der Primarschulzeit zunehmend verstärken.
Ältere und normalgewichtige Kinder schneiden besser ab
Im Rahmen der EMOKK-Studie wurde ausserdem untersucht, wie viele Kinder einen Förderbedarf bei den motorischen Basiskompetenzen aufweisen. In den untersuchten St.Galler Gemeinden waren das im Bereich «Etwas-Bewegen» 7,5 Prozent und im Bereich «Sich-Bewegen» 17,1 Prozent der Kinder, die 2024 in die Primarschule eingetreten sind. Ein wichtiger Grund dafür ist laut Sonja Büchel der unterschiedliche motorische Entwicklungsstand der Kinder. Im zweiten Primarschuljahr liegt der Anteil der Kinder mit einem Bedarf an motorischer Förderung deutlich niedriger. «Es ist gut zu sehen, dass die Jüngeren Defizite so gut aufholen können. Mit Erreichen des Primarschulalters stehen ihnen viele neue Lerngelegenheiten offen, sowohl schulische als auch ausserschulische», sagt Sonja Büchel.
Die deutlichen Leistungsunterschiede zwischen der 1. und 2. Primarschulklasse stellten die Lehrpersonen oftmals vor Herausforderungen, da die beiden Jahrgänge in vielen Schulen gemeinsam unterrichtet würden, heisst es im Ergebnisbericht. Deshalb bedürfe es differenzierter Bewegungs- und Sportangebote, die den Leistungsunterschieden innerhalb der Klasse gerecht werden.
Zusammen mit dem Abschneiden der teilnehmenden Kinder in den Testaufgaben wurde in der EMOKK-Studie auch der Body-Mass Index (BMI) erfasst. Sowohl in der 1. und 2. als auch in der 3. und 4. Primarschulklasse erzielten Kinder, die als normalgewichtig eingestuft wurden, im Jahr 2024 bessere Resultate als untergewichtige, übergewichtige oder adipöse Kinder.
Erhebung hilft bei Optimierung des Unterrichts
«Durch die Teilnahme an der Studie haben die Lehrpersonen Anhaltspunkte, welche Kinder gezielt unterstützt werden sollten», sagt Sonja Büchel. Individuelle Rückmeldungen zu jeder Klasse ermöglichen es, die Leistungen mit dem übrigen Kanton St.Gallen zu vergleichen sowie Stärken und Schwächen zu erkennen, um sie gezielt zu fördern. In der EMOKK-Untersuchung 2024 wurden erstmals Lehrpersonen dazu befragt, wie sie mit diesen klassenspezifischen Rückmeldungen umgehen und welche Unterstützung sie sich zur Förderung der motorischen Basiskompetenzen wünschen. Gut die Hälfte der Befragten äusserte Interesse an spezifischen Weiterbildungen zum Thema. Rund zwei Drittel der Befragten beurteilten die Ergebnisse als motivierend, wobei sie nur für rund ein Viertel eine Überraschung darstellten. Schliesslich gaben 71 Prozent der befragten Lehrpersonen an, dass sie ihren Sportunterricht basierend auf den Ergebnissen ihrer Klasse angepasst haben.
Die Erhebung im Jahr 2024 markierte den Abschluss der Datenerhebung im Rahmen der EMOKK-Studie. In weiteren Analysen will sich das EMOKK-Team der PHSG auf die Lehrpersonen konzentrieren. «Wie wirken sich Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen auf die motorische Entwicklung ihrer Schüler:innen aus? Und welchen Einfluss haben ihre Überzeugungen und Motivationen? Das möchten wir nun herausfinden», sagt Sonja Büchel. So habe sich bereits gezeigt, dass Schüler:innen, die ihren Unterricht mitgestalten können, in den Testaufgaben signifikant bessere Ergebnisse erzielen. Auch die weiteren Projektteams, die an der EMOKK-Studie beteiligt sind, werden die Analysen fortsetzen. So wollen etwa die Universität Basel und die Pädagogische Hochschule Zürich untersuchen, welche Rolle das Elternhaus beim Abschneiden in den Testaufgaben spielt.