PHSG: Bei früher Sprachförderung im nationalen Fokus
Wenn Kinder noch im Vorschulalter eine zweite Sprache erlernen sollen, dann vor allem in Betreuungseinrichtungen wie Kita oder Spielgruppe, heisst es in einem Bericht des Bundesrates zur «Frühen Sprachförderung in der Schweiz». Die Ergebnisse basieren auf einer Studie, bei der die Pädagogische Hochschule St.Gallen (PHSG) federführend war. Prof. Dr. Franziska Vogt, Leiterin des Zentrums Frühe Bildung, hatte die Gesamtleitung inne.
Die Bedeutung der frühen Sprachförderung für einen erfolgreichen Start in die Volksschule und für die gesamte Bildungslaufbahn eines Kindes ist in der Schweiz in den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus gerückt. Am 29. Juni 2022 hat der Bundesrat einen Bericht zur frühen Sprachförderung in der Schweiz verabschiedet. Dieser Bericht basiert auf den Ergebnissen und Empfehlungen einer Studie, welche die Pädagogische Hochschule St.Gallen (PHSG) in Zusammenarbeit mit der Universität Genf und dem Forschungs- und Beratungsbüro INFRAS durchgeführt hat. Geleitet wurde die Untersuchung von Franziska Vogt, Professorin und Leiterin des Zentrums Frühe Bildung der PHSG.
«Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Besuch eines Angebots der frühen Bildung wie Kita, Eltern-Kind-Gruppe oder Spielgruppe, positiv auf die Kompetenzen in der Schulsprache auswirkt», sagt die Studienleiterin. Bedingung sei jedoch eine gute pädagogische Qualität. «Alltagsintegrierte Sprachförderung ist wirksamer als separate Programme.» Aus diesem Grund müssten Fachpersonen umfassend aus- und weitergebildet werden – mit einem starken Fokus auf die Sprachförderung.
Grosse Heterogenität in der Schweiz
Grund für die Studie ist eine im Herbst 2018 eingereichte Motion von alt Nationalrat Christoph Eymann, die den Bundesrat aufforderte, zu prüfen, wie die Integration und die schulischen Chancen von fremdsprachigen Kindern verbessert werden können. Daraufhin wurden die PHSG, die Universität Genf und das Forschungsbüro- und Beratungsbüro INFRAS vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation mit der Untersuchung beauftragt. Die Studie stellt die internationale Forschungslage basierend auf rund 700 wissenschaftlichen Artikeln in Deutsch, Englisch und Französisch umfassend dar.
Gleichzeitig zeigt sie die Situation in der Schweiz, die je nach Kanton und Region sehr unterschiedlich ist: Die Kantone der Romandie beispielsweise fokussieren auf die Zugänglichkeit und Qualität der Angebote der frühen Bildung generell. In der Deutschschweiz überwiegen die selektiven Ansätze, welche die Sprachförderung klar auf Kinder mit anderen Erstsprachen ausrichten, und im Tessin besucht die Mehrheit der Kinder bereits mit drei Jahren die scuola d’infanzia und wird bei Bedarf von Sprachförderlehrpersonen unterstützt. Die Erhebungen für die vorliegende Studie erfolgten zwischen Juni und Dezember 2021.
Es braucht einen Paradigmen-Wechsel
Die Forschenden formulierten in der Studie auch Empfehlungen, wie die frühe Sprachförderung in der Schweiz als Teil der frühen, nicht-formalen Bildung flächendeckend und für alle zugänglich umgesetzt werden kann, insbesondere auch für Kinder aus benachteiligten Familien und für Kinder mit besonderem Bildungsbedarf. Diese Empfehlungen richten sich in erster Linie an Bund, Kantone und Gemeinden. «Um Chancengerechtigkeit in der Schweiz zu stärken und die regionalen Umsetzungsmassnahmen zu harmonisieren, ist eine gesamtschweizerische Koordination nötig», sagt Studienleitern Franziska Vogt. Dazu brauche es einen Paradigmen-Wechsel. «Die bestehenden Paradigmen, die Betonung der sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung der Angebote der frühen Bildung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Fokus von früher Sprachförderung ausschliesslich als Integrationsmassnahme, sollen neu mit der Anerkennung des Rechts auf Bildung für alle Kinder ab Geburt erweitert werden.»