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Lehrpersonen und Schulkinder

Lehrpersonen lernen voneinander

Im Projekt «Liechtenstein meets Lichtensteig» lernen die Teams zweier Schulhäuser gezielt von den Stärken des anderen. Dazu statten sie sich gegenseitig Besuche ab und absolvieren gemeinsame Weiterbildungen. Unterstützt werden sie dabei von der Pädagogischen Hochschule St.Gallen und Movetia.

In den Schulzimmern der 1.–3. Klassen des Jost-Bürgi-Schulhauses in Lichtensteig herrscht an diesem Vormittag mehr Betrieb als üblich. Nebst den Schüler:innen und ihren Lehrpersonen haben auch mehrere Lehrpersonen der Schule Triesen Platz gefunden. Die Gäste aus dem Fürstentum Liechtenstein blicken ihren Kolleg:innen über die Schultern und springen hie und da ein, um die Kinder beim Lösen einer Aufgabe zu unterstützten. Mit diesem «Shadowing» wollen sie einen Eindruck davon erhalten, wie das niveaudifferenzierte Lernen über mehrere Jahrgänge hinweg in Lichtensteig funktioniert.

Anschauungsbeispiel statt Theorie
Die Schule Triesen setzt sich gegenwärtig in der Schulentwicklung selbst mit dem Thema niveaudifferenziertes Lernen auseinander. «Das Modell ist unter Lehrpersonen nicht unumstritten. Sie wollen sich nicht anhand der Theorie ein Urteil bilden, sondern es sich ansehen», sagt Jörg Biedermann, Schulleiter der Schule Triesen. Darum sei es wertvoll, dass die Schulen von Triesen und Lichtensteig auf diesem Weg gegenseitig voneinander profitieren können. «Sehr spannend» findet eine Lehrperson aus Triesen den Besuch in Lichtensteig: «Unglaublich, wie spielerisch hier der Unterricht auf die einzelnen Schüler:innen zugeschnitten wird.» Eine andere wirft hingegen die Frage auf, wie das niveaudifferenzierte Lernen auch in der ungleich grösseren Schule Triesen funktionieren könnte.

Der Schulbesuch in Lichtensteig ist einer von mehreren Besuchen im Rahmen des Projekts «Liechtenstein meets Lichtensteig», dass die beiden Schulen zusammen mit der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG) durchführen. Ende März werden weitere Lehrpersonen der Schule Triesen ins Toggenburg reisen, ehe sie im Juni ihren Lichtensteiger Kolleg:innen Gastrecht gewähren. Dann wird der Fokus auf dem Thema «Qualität von Lernaufgaben» liegen, in dem die Schule Triesen in der Vergangenheit eine grosse Expertise aufgebaut hat. «Der Austausch mit der Schule Triesen ist eine wertvolle Gelegenheit, um voneinander zu lernen und neue Impulse für die Unterrichtsqualität zu erhalten. Gerade das Thema ‹Qualität von Lernaufgaben› bietet spannende Ansätze, die wir gewinnbringend in unseren Schulalltag integrieren können», sagt der Lichtensteiger Schulleiter Raphael Dudli.

Die Besuche werden begleitet von intensiven Reflexionsrunden, in deren Rahmen die beiden Teams gemeinsam ermitteln, in welchen Bereichen sie Bedarf an Weiterbildungen haben. Diese Bedürfnisse wird die PHSG dann im Herbst im Rahmen von teamübergreifenden Kursen aufgreifen. Weitere gegenseitige Besuche und gemeinsame Weiterbildungen stehen im Jahr 2026 an.

Offenheit für Themen der Schulentwicklung fördern
Der Kontakt der beiden Schulen ist über die PHSG entstanden, erklärt Andreas Angehrn, Projektleiter von «Liechtenstein meets Lichtensteig» an der PHSG. Er hat mit beiden Schulen schon bei früheren Gelegenheiten im Rahmen von Dienstleistungsprojekten zusammengearbeitet. «‹Shadowing› kann die Offenheit der Lehrpersonen gegenüber Themen der Schulentwicklung fördern», sagt er. Diese könnten sich vor Ort ein Bild machen und dabei nicht nur sehen, was geändert werden müsse, sondern sich auch vergegenwärtigen, was in ihrer Schule bereits gut funktioniere.

Unterstützt wird das Projekt «Liechtenstein meets Lichtensteig» von Movetia, der nationalen Agentur zur Förderung von Austausch und Mobilität im Bildungsbereich. «Dieses Projekt ist wichtig, weil es die grenzübergreifende Vernetzung und das gegenseitige Lernen voneinander fördert», sagt Nadine Habegger, Programmkoordinatorin bei Movetia. Die Stärke des «Shadowings» liege nicht zuletzt darin, dass die Lehrkräfte eine Gelegenheit zur Reflexion über ihr pädagogisches Handeln erhalten und sich ihrer Selbstwirksamkeit bewusster werden. Dem pflichtet Jörg Biedermann bei: «Ein Kollege hat heute festgestellt: ‹Auch hier in Lichtensteig kochen sie nur mit Wasser›» – auch diese Erkenntnis sei wertvoll.