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Leute reden miteinander an Stehtischen

LernRäume brauchen Aufforderungscharakter

Zum neunten Mal lud die Pädagogische Hochschule St.Gallen (PHSG) am Freitag, 17. November 2017 zum Hochschultag ein. Im Zentrum stand das Thema «LernRaum». Mitarbeitende der Institution, Mitglieder des Hochschulrates und zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Bildung, Politik und Wirtschaft waren zu Gast und tauchten in verschiedene «LernRäume» ein.

«Eine Schulweisheit lautet, dass Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer mehrere Lehrer vorfinden. Erstens, die Lehrperson, zweitens, die Klassengemeinschaft und drittens, der Raum», betonte Prof. Dr. Horst Biedermann, Rektor der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG), in seinen Begrüssungsworten. Am diesjährigen Hochschultag der PHSG wurde der Frage nachgespürt: Welche Eigenschaften müssen gegeben sein, damit im Zusammenspiel von Raum und Mensch wirksame Lernprozesse im Setting des schulischen Unterrichts ermöglicht werden? Inspirierende Antworten darauf, was es in diesem Kontext zu beachten gilt, gaben die beiden Referenten Prof. Dr. Claus Stieve, Prodekan der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Köln und Dipl. Ing. Bernd Ullrich, Architekt und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Hochschule Köln. Anhand von Abbildungen machten sie deutlich, wie sich die Raumgestaltung vom Kindergarten bis zur Universität wandelt. Im Laufe der Schulkarriere verändern sich die Lernräume. Diese werden zunehmend nüchterner und technischer und besitzen immer weniger Aufforderungscharakter. Eine ihrer Quintessenzen lautete: Obwohl neue Lernformen entwickelt werden, spiegelt sich das nicht in den Räumen. Zudem sind die beiden Referenten überzeugt: Es braucht keine idealen Räume, vielmehr sollten Räume Menschen herausfordern, mit ihnen etwas zu tun, sie zu gestalten. Räume, welche Potentiale der Irritation beinhalten, seien hier besonders zu erwähnen. 

Idealer LernRaum
75m2 LernRaum – so viele Quadratmeter sollte ein Schulzimmer einer Primarschulklasse gemäss Empfehlungen des Kantons St.Gallen gross sein. Regierungsrat und Hochschulratspräsident Stefan Kölliker führte in seiner Rede aus, dass St.Gallen schon im Jahre 819 fortschrittliche Schulzimmer hatte. Pläne des Klosters St.Gallen zeigen, dass es bereits damals «moderne» Schulräumlichkeiten gab: Ein grosser Unterrichtsraum war umgeben von Gruppenräumen, um individuell, aber auch in Gruppen zu arbeiten. Stefan Kölliker betonte aber auch, dass neben den physischen Bedingungen, dem virtuellen Lernraum Aufmerksamkeit zu schenken sei. Deshalb spiele die PHSG bei der IT-Bildungsoffensive des Kantons St.Gallen eine tragende Rolle. Es gelte, angehende Lehrerinnen und Lehrer in digitaler Kompetenz zu schulen.

Auf der Bühne, mit der Kamera oder im Labor 
Moderiert von Prof. Johannes Gunzenreiner, Leiter regionales didaktisches Zentrum Gossau und Co-Leiter der Fachstelle Demokratiebildung und Menschenrechte, brachten vier Dozierende der PHSG und die beiden Referenten unterschiedliche Lernräume dem Publikum näher. Gemäss Kristin Ludin, Leiterin Fachstelle Theater, könne ein leerer Raum zur Bühne werden und Kinder, Jugendliche aber auch Erwachsene dazu bewegen, zu handeln und Neues zu schaffen. Beatrice Straub Haaf, Leiterin regionales didaktisches Zentrum (RDZ) Wattwil, merkte an, dass Lernwerkstätte, wie sie in den RDZ angeboten werden, irritieren und inspirieren sollen. Prof. Ralph Kugler, Co-Leiter Institut ICT & Medien ist überzeugt, dass virtuelle Lernräume eine Irritation darstellen, weil die Betroffenen gezwungen werden, bestehende Lernorte zu überdenken und neu zu ordnen. Prof. Dr. Nicolas Robin, Leiter Institut Fachdidaktik Naturwissenschaften brachte eine Aussage ein, der alle Anwesenden zustimmten: Wissensräume sind auch Sozialräume in denen es immer wieder Neues zu entdecken gibt. 

Lernräume in der Region
Bereits seit 2010 entwickeln Studierende der PHSG unter der Leitung des pensionierten Dozenten der PHSG und ehemaligen Oberstufenlehrers Alfred Zahner Lernhefte für «mathematische Lernplätze» für das ausserschulische Lernen im Mathematikunterricht der Sekundarstufe I. Zu externen Lernorten und Lernplätzen in Städten und Dörfern, also Lernräumen, werden Problemstellungen formuliert, die ein forsches und entdeckendes Handeln verlangen. In seiner Laudatio ehrte Dr. Martin Annen, Prorektor Sekundarstufe I und II, das grosse Engagement und unermüdliche Wirken von Alfred Zahner und überreichte ihm den Anerkennungspreis. Mit dem jährlich verliehenen Preis werden Personen ausgezeichnet, die sich um die st.gallische Lehrerinnen- und Lehrerbildung besonders verdient gemacht haben.